Die Chemnitzer Freie Presse berichtet am 30.12.2010 über die Situation im sächsischen Erzgebirgskreis:
Es bleibt dabei: Schnelles Internet kommt nur langsam
Weitere neun Ortsteile im Erzgebirge haben Anträge auf Förderung für bessere Breitbandversorgung gestellt. Der Landkreis bleibt damit weiter auf niedrigem Niveau.
Von Jan Oechsner
Stollberg - Derzeit haben neun Orte und Ortsteile im Erzgebirgskreis einen Antrag beim zuständigen Landwirtschaftsministerium in Dresden gestellt, um Fördergelder für eine Versorgung mit schnellem Internet zu erhalten.
Laut Ministeriumssprecher Falk Hofer handelt es sich um Stadtteile in Marienberg, Pobershau, Zöblitz, Bockau, Grünhain-Beierfeld, Johanngeorgenstadt, Lößnitz, Stützengrün und Zschorlau, die entweder über gar keine oder nur eine sehr langsame Internetanbindung verfügen. "Alle Orte zusammen haben 1,78 Millionen Euro beantragt", so Hofer weiter. Mit diesem Geld sollen die so genannten Wirtschaftlichkeitslücken in den betroffenen Regionen geschlossen werden. In vielen Dörfern ist es für Netzbetreiber schlicht unrentabel, in teure Internetanschlüsse für zu wenige Kunden zu investieren.
Freistaat will Lücke schließen
Diese Lücke will der Freistaat mit Fördergeldern schließen. Maximal 200.000 Euro gibt er dazu, die jeweilige Kommune steuert zehn Prozent der Bausumme bei. Voraussetzung: Das Internet übersteigt zwei Megabit pro Sekunde. Doch davon sind große Teile im Erzgebirgskreis noch weit entfernt: In fast jedem dritten Ortsteil werden Internetnutzer noch immer ausgebremst. Dies ermittelte die Chemnitzer Tele-Kabel-Ingenieursgesellschaft (TKI) bereits zu Jahresanfang, die im Auftrag der Landkreisverwaltung die Verfügbarkeits- und Bedarfssituation der Breitbandtechnologie untersuchte. Anstatt des schnellen Datenübertragungssystems DSL steht dort oftmals nur das viel langsamere ISDN zum Surfen zur Verfügung.
Der Kreis ist nur Drittletzter
Das Problem ist lange erkannt - doch die Lösung dauert, so die Kritik vieler. "Im Vergleich zu allen anderen Landkreisen liegt der Erzgebirgskreis bei der Anzahl der Anträge nur an drittletzter Stelle in Sachsen", so Jonas Kahl, Vorstandssprecher der Grünen Jugend im Erzgebirge. Hintergrund: Bislang wurden gerade mal vier Anträge von Orten aus dem Kreis auch bewilligt - knapp 173.000 Euro wurden dafür vom Land bereits bereitgestellt. Darüber kann der Vogtlandkreis nur müde lächeln.
Im Gegensatz zum Erzgebirge habe die dortige Landkreisverwaltung alle Breitband-Projekte gebündelt vorangetrieben. "Dort kocht nicht jeder Ort sein eigenes Süppchen", kritisiert Kahl. Bislang habe das Vogtland mit dieser Strategie im Vergleich zum Erzgebirgskreis mehr als das 43-fache an Fördermitteln für den Breitbandausbau bewilligt bekommen.
Kritik kommt auch von der Initiative gegen digitale Spaltung, die bundesweit agiert. Deren Sprecher für das Erzgebirge, Bernd Rudolph, sagt: "Wir haben eindeutig Nachholebedarf beim schnellen Internet. Wie wollen wir so junge Fachkräfte, junge Familien ins Erzgebirge locken?", sagt der Experte aus Seifersdorf bei Stollberg.
Junge Wohnungssuchende etwa würden heute als erstes fragen, ob es eine brauchbare Internetversorgung im Ort gibt, so Rudolph weiter. "Wenn nicht, suchen sie woanders. Ganz einfach."
Dorf als Forschungsobjekt
Genau dieses Zusammenspiel von Internetangebot und Attraktivität eines Dorfes wird gerade wissenschaftlich geprüft. An einem vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung geförderten Projekt soll exemplarisch in den Gemeinden Groß-Pankow bei Parchim, Milmersdorf (Uckermark) und Neupetershain (Oberspreewald-Lausitz) getestet werden, ob schnelles Internet ein Dörfchen für Jugend und Familien interessanter macht. Geforscht wird noch bis 2011.
Andernorts haben Bürger dies schon erkannt und aus der Not eine Tugend gemacht. Beispiel Gablenz nahe Stollberg. Auch diesen Ort wollte kein Netzbetreiber mit einer Kabelverbindung ans Internet anschließen - wegen zu hoher Kosten. Das war vor über vier Jahren, Förderprogramme gab es damals noch nicht. Also fanden sich 30 Einwohner und gründeten einen Verein. Jeder zahlte 150 Euro Startkapital. Zusammen mit einem zinsfreien Darlehen der Stadt Sollberg kamen die Leute auf 7500 Euro.
Sie entschieden sich für eine Funklösung. Dafür war der 28-Meter-Schornstein der Stollberger Stadtwerke genau richtig. Das Unternehmen erlaubte die Montage einer Gitterantenne, die wiederum an die DSL-Kabelverbindung in Stollberg angeschlossen war.
Mit weiteren Verteilerantennen kommt das Internet seither - immerhin mit drei Megabit die Sekunde - vom Schornstein in nunmehr 100 Haushalte.