Thema von: bru62
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Die Bundesnetzagentur hat die interessierte Öffentlichkeit aufgerufen, zum Entwurf zu Vergaberegeln für verschiedene Frequenzen, darunter auch der "digitalen Dividende" - Entscheidung der Präsidentenkammer über die Verbindung der Verfahren zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 790 bis 862 MHz sowie 1710 bis 1725 MHz und 1805 bis 1820 MHz mit dem Verfahren zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten (BK1a-09/ 002) - Stellung zu beziehen.
Die Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- hat am 08.07.2009 an die BNetzA geschrieben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die nichtkommerzielle Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- vertritt seit mehr als drei Jahren die Interessen von Menschen, die nicht über angemessenen Zugang zum Internet verfügen. Aus Sicht der Betroffenen gibt sie nachfolgende Stellungnahme zum Vergabeverfahren ab. Dabei wird im Wesentlichen auf die Vergabe der Frequenzen um 800 MHz (digitale Dividende) eingegangen, die ausdrücklich zur Versorgung bisher nicht erschlossener Gebiete bestimmt sind.
1. Die zu vergebenen Frequenzen im Bereich um 800 MHz sind ausschließlich zum Zweck der Bereitstellung von Breitbandinternetzugängen bestimmt. Dem entgegen steht der Satz „Eine Beschränkung des Einsatzes bestimmter Techniken findet nicht statt“ (Punkt 4.1). Damit wäre es durchaus möglich, auch Techniken einzusetzen, die keinen, den heutigen Standards entsprechenden Breitbandzugang ermöglichen (z.B. EDGE, UMTS). Aus unserer Sicht sollte zur Verwendung der Frequenzen der Einsatz von dem jeweils gültigen Stand der Technik (heute HSPA, LTE) zwingend vorgegeben werden. Außerdem wäre es denkbar, die Verwendung der Frequenzen regelmäßig dem Stand der Technik anzupassen.
2. Die Frequenzen um 800 MHz verfügen über physikalische Eigenschaften, die eine große Flächenabdeckung zulassen. Daraus folgt, dass in Funkzellen u.U. tausende potenzielle Nutzer leben. Es muss gewährleistet werden, dass diese ständig mit durchschnittlichen, dem jeweils als Standard für Breitbandinternetzugänge angesehenen Bandbreiten versorgt werden. D.h., es geht nicht nur um eine Versorgungsdichte, sondern auch um eine Ver-sorgungsgüte. Die Vergabe der Frequenzen darf nicht nur an eine theoretische Versorgung gebunden sein, sie muss die praktische Verfügbarkeit zum Ziel haben. Deshalb müssen den Frequenzzuteilungsinhabern klare Bedingungen zur durchschnittlich anzubietenden Mindestbandbreite gestellt werden. Dies ist in den entworfenen Versorgungsauflagen nicht enthalten.
3. Nicht zuletzt sollte in den Versorgungsauflagen deutlich werden, dass Beschränkungen der Zugänge beim Überschreiten von bestimmten Datenvolumen nicht zulässig sind. Zumindest müssen die heute üblichen Grenzen (5 GB/Monat) stark angehoben werden. Dem liegt die nachgewiesene Bedeutung des Internets als meinungsbildungsrelevantes Medium (i.S. Art. 5 GG) zugrunde. Zur Informationsbeschaffung stehen heute im wachsenden Maß audio-visuelle Daten zur Verfügung, bei deren Nutzung die genannten Grenzen schnell über-schritten werden.
4. Die Auflagen zum priorisierten Ausbau der Versorgung in Gebieten, die nach vier Stufen eingeteilt sind, werden als völlig unzureichend angesehen. Es wäre zu erwarten gewesen, dass ein möglichst schneller vollständiger Ausbau in den gegenwärtig nicht versorgten Ge-bieten verlangt wird. Der kabelgebundene Ausbau der heute unterversorgten Gebiete wird im Allgemeinen als unwirtschaftlich dargestellt. Daher bestehen nicht wenig und nahezu ausschließliche Hoffnungen auf eine baldige Versorgung per Funk. Diese Hoffnungen wurden nicht zuletzt durch die Breitbandstrategie der Bundesregierung geschürt. Die im Entwurf angesetzte Grenze von 70 Prozent, bei deren Erreichen der Ausbau in weiteren Ge-bieten erfolgen kann, bietet jedoch keinerlei Gewähr für eine flächendeckende Versorgung des ländlichen Raumes. Da die in Frage stehenden Frequenzen aber gerade für die unterver-sorgten ländlichen Gebiete bestimmt sind, bedarf es einer klaren Zielvorgabe: Erst wenn sämtliche unterversorgten Gebiete (ausreichend, s.o.) versorgt sind, kann ein Ausbau in weiteren Regionen erfolgen. Dies fehlt.
5. Die Vorgabe, Frequenzzuteilungsinhaber müssten bis 2016 mindestens 80 Prozent der jeweiligen Regionen je Bundesland versorgen, geht an der Dringlichkeit der Aufgabe völlig vorbei. Die betroffenen Kommunen leiden unter einem Verlust an Attraktivität als Wohn- und Arbeitsorte. Ein derart lang gestreckter zeitlicher Rahmen ist nicht akzeptabel. Der Ausbau muss wesentlich schneller erfolgen. Nicht zuletzt, um die in der Breitbandstrategie der Bundesregierung aufgestellte Forderung, bis 2010 flächendeckend die Verfügbarkeit von Breitbandinternetanschlüssen zu gewährleisten, zu erfüllen. Im Übrigen gilt auch hier die Forderung nach einer hundertprozentigen Versorgung in ländlichen Gebieten, in denen meist keinerlei andere Zugangstechnologie zur Verfügung steht.
6. Der Entwurf sieht keine Sanktionen vor, die eintreten, wenn ein Frequenzzuteilungsinhaber die Versorgungsauflagen nicht erfüllt. Eine reine Berichtspflicht zum Jahresende reicht definitiv nicht. Nicht zuletzt aus den Erfahrungen der Vergabe der BWA-Frequenzen ist er-sichtlich, dass Unternehmen sich nicht automatisch an die vorgegebenen Regeln halten. Sie müssen vielmehr bei Strafe von Sanktionen daran gebunden werden. Vor diesem Hinter-grund muss bereits bei der Vergabe klar sein, dass bei Nichteinhaltung der Auflagen ein sofortiger Entzug der Frequenzen und zudem eine Vertragsstrafe fällig werden.
Zusammenfassend fordert die Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de- folgende konkrete Nachbesserungen des Vergabeverfahrens:
• Verbindliche Vorgaben hinsichtlich der Versorgungsgüte (garantierte Mindestbandbreite, Verzicht auf Volumenbegrenzungen)
• Deutlich höhere Ausbauvorgaben für die Prioritätsstufe 1 (möglichst 100 Prozent)
• Erheblich kürzere Gesamtzeitvorgaben (maximal bis 2011)
• Festlegung von Sanktionen bei Verletzung der Versorgungsauflagen
Mit freundlichen Grüßen
weitere Informationen:
Positionspapiere der Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de-
Stellungnahmen der Initiative gegen digitale Spaltung -geteilt.de-
Pressemitteilung: Initiative fordert mehr Auflagen bei Frequenzvergabe
Stellungnahme als PDF zum Download