grapevine hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass man das auf diese einfache Formel reduzieren kann.
Doch, kann man. Dazu gibt es sogar eine einfache Formel: G-W-G'. Geld wird investiert, um Waren zu produzieren, die anschließend mit (Mehr-)wert verkauft werden, wobei der Mehrwert der in der Ware enthaltenen menschlichen Arbeit entspricht. Das ist das
Grundprinzip unserer gegenwärtigen Produktionsweise.
Das der Staat an der von dir angesprochenen Stelle anders agiert, liegt daran, dass er Aufgaben der Daseinsvorsorge realisiert. Eine Gewinnerzielungsabsicht liegt dabei in der Tat nicht vor. Die Bahn ist aber insofern auch eine Ausnahme, weil hier die geplante Privatisierung nicht vollständig umgesetzt wurde.
Bei staatlichen Handeln im Rahmen der Daseinsvorsorge werden Steuermittel eingesetzt, um eine für die Öffentlichkeit wichtige Infrastruktur vorzuhalten. Das ist es, was ich mit staatlicher Verantwortung für die Daseinsvorsorge meine. Die Produktion und Verteilung von Lebensmitteln zählt m. E. nicht vordergründig zur Daseinsvorsorge. Allenfalls die Sicherung der Hygiene und Volksgesundheit. Das ist aber etwas anderes.
Wikipedia fasst den Begriff so: "Er umschreibt die staatliche Aufgabe zur Bereitstellung der für ein menschliches Dasein als notwendig erachteten Güter und Leistungen − die so genannte Grundversorgung. Dazu zählt als Teil der Leistungsverwaltung die Bereitstellung von öffentlichen Einrichtungen für die Allgemeinheit, also Verkehrs- und Beförderungswesen, Gas-, Wasser-, und Elektrizitätsversorgung, Müllabfuhr, Abwasserbeseitigung, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Krankenhäuser, Friedhöfe, Bäder usw. (Infrastruktur).
Für jede privatwirtschaftliche Tätigkeit steht das o. g. Prinzip (G-W-G') im Raum. Jede Investition muss sich quasi rechnen. Wie wir sehen, tut sie das bei der Infrastruktur häufig nicht, zumindest nicht flächendeckend, sondern nur da, wo die Kosten sich schnell amortisieren. Das ist das Problem. Letztlich bedarf es der auch von dir angesprochenen staatlichen Regulierung, um die "berechtigten Interessen" untereinander auszugleichen. Diese aufwändige staatliche Einflussnahme wäre nicht nötig, wenn die Daseinsvorsorge nicht privat, sondern staatlich organisiert würde. Das war ja auch über Jahrzehnte eine von niemanden in Abrede gestellte Realität. Bis in den achtziger Jahren die Politik des Neoliberalismus ("Reaganomics") einen Schwenk vollzog. Auch dafür gab es natürlich politisch-ökonomische Gründe: der ebenfalls der kapitalistischen Produktionsweise innewohnende Trend des
tendenziellen Falls der Profitrate. Akkumuliertes (angehäuftes) Kapital sucht immer neue profitversprechende Anlagesphären, nachdem die bisherigen nicht mehr den gewünschten Mehrwert "abwerfen". Die Daseinsvorsorge (und hier gerade die Telekommunikation) war einer davon. In der Gegenwart ist sehr gut zu beobachten, dass die Finanzwirtschaft diese Rolle übernimmt. Das die Liberalisierung des Telekommarktes durchaus nicht als Erfolgsmodell anzusehen ist, sieht man, wenn man die aktuellen, scheinbar kaum lösbaren Probleme (Ausbau Glasfaserzugangsnetz/Netzneutralität) betrachtet. Richard Sietmann hat das in einem ct-Artikel (
11/2012, Seite 76 - die 2,50 Euro lohnen sich!) sehr gut beschrieben. Ich bin aber auch so realistisch, zu erkennen, dass ein Zurück wohl mittelfristig nicht zu erwarten ist, auch wenn ich es gerade bei der Errichtung des Glasfaserzugangsnetzes für sehr sinnvoll halte.
grapevine hat geschrieben:Wäre die Bundespost nicht privatisiert worden, dann würden wir in Deutschland heute noch Bildschirmtext benutzen.
Ja, diese Überspitzung kennen wir vor allem aus dem heise-Forum. Es handelt sich um eine immer wieder gern verwandte Annahme, die natürlich nicht belegt werden kann und auch durch laufende Wiederholung nicht wahr wird. Man könnte auch meinen, sie wird böswillig vorgebracht, um die für jedermann sichtbaren Mängel der Privatisierung der Telekom zu kaschieren. Ich behaupte eher, dass wir zwar vielleicht ein generell niedrigeres Niveau der Versorgung hätten, das aber flächendeckend. Oder, wie es mal ein Kommunalpolitiker ausdrückte: "Die Bundespost war nicht die schnellste, aber man konnte gewiss sein, dass sie irgendwann auch im letzten Dorf ausbaut." Heute versprechen Politiker nur ...
Gruß